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Triebwagen 3644
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Zum 25-jährigen Jubiläum der Museumsstraßenbahn am 8.9.2023 präsentiert sich Wagen 3644 im teilrenovierten Zustand und dekoriert wie bei der Eröffnung mit dem originalen „Zurstraßenbahn“-Schild in Würdigung der Verdienste des damaligen Schönberger Bürgermeisters bei der Ermöglichung der Museumsstraßenbahn. Foto: © Jan Borchers.
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Technische Daten
Wagennummer | 3106 / 3044 / 3644 |
Typ | V6 / V6E |
Hersteller | Waggonfabrik Falkenried, Hamburg |
Baujahr/Fabriknummer | 1952 / ? |
Früherer Einsatzort | Hamburg |
Länge | 14430 mm |
Breite | 2200 mm |
Radstand | 5200 / 1600 mm |
Spurweite | 1435 mm |
Masse | 18290 kg |
Motor | GBM 320 |
Leistung | 4 x 50 kW |
Fahrschalter | SSW Ds 15 |
Bremse | el. Widerstand / Magnetschienenbremse / Öldruck-Federspeicher-Klotzbremse |
Kupplung | vorn Bolzenkupplung Typ Hamburg, hinten automatische Kupplung Typ Scharfenberg |
Beleuchtung | Glühlampen / Leuchtstoffröhren |
Heizung | el. Bremsstrom |
Sitz- / Stehplätze | 31 / 78 |
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Fahrzeuggeschichte
Gerade bei den jüngeren Fahrzeugen sind mehr Details zur Geschichte und deren Zusammenhängen bekannt, so dass der Textteil Fahrzeuggeschichte hier beim V6 etwas weiter ausholt und in mehrere Kapitel unterteilt ist.
Entwicklung der Vierachser-Bauarten in Hamburg
Die Entwicklung der Fahrzeugbauarten stand lange in enger Verbindung zu deren Personalbedarf. So entstanden 1928 die V2-Vierachser wesentlich aus der Idee, die gleiche Fahrgastzahl mit nur 2 Schaffnern zu befördern wie mit 3 Schaffnern in den Dreiwagenzügen aus Zweiachsern. Obwohl das gelang, blieb es bei 30 Zügen. Die vorwiegend zu Erprobung von Neuerungen genutzten V2U hatten mit ihren verlängerten Plattformen ab 1935 bereits das Problem, dass diese trapezförmig spitz zulaufend ausgeführt werden mussten, um Kollisionen in Gleisbögen zu vermeiden. Der Trend zu weiter steigenden Wagengrößen war schon lange erkennbar und die Konkurrenz des Kraftwagens erforderte mehr Komfort. 1937 waren mit dem V3 bereits bei 2,20 m Fahrzeugbreite und 5,20 m Drehgestellabstand die Grenzen des auf dem bestehenden Gleisnetz Möglichen erreicht, aber der Hamburger Gleisbau reagierte darauf nicht mit der notwendigen Erweiterung zumindest der Gleisabstände in Bögen bei Erneuerungen.
So mussten die noch längeren V4 und V5 an den Wagenenden schon extrem spitz zulaufend ausgeführt werden, womit zwar das Problem der Kollisionen der Wagenenden in Bögen beherrschbar war, nicht aber das der Wagenmitten bei einem vernünftigen Drehgestellabstand im Verhältnis zur Wagenlänge. So mussten diese Typen weiterhin mit nur 5,20 m Drehgestellabstand entwickelt werden. Die bereits 1928 aufgekommene Idee eines Gelenkwagens wurde verworfen, weil dieser stets 2 Schaffner erfordert hätte, die in einen Vierachser-Zug aber mehr Fahrgäste abfertigen konnten.
Mit den erheblichen Fahrzeugverlusten in 2. Weltkrieg war absehbar, dass Neubauten nach Reparatur der schlimmsten Kriegsschäden unumgänglich sein würden. Mit Verbesserung der Wirtschaftslage nach der Währungsreform 1948 wurde das möglich. Während andere Städte zunächst auf billige Zweiachser wie KSW oder Verbandstyp setzten, verfolgte Hamburg die Idee des Großraumwagens mit dem im Ausland erfolgreichen "Fahrgastfluss" und konnte diese als erste Stadt Deutschlands umsetzen. Beim V5 hatte sich bereits gezeigt, dass ein Pendelschaffner im Berufsverkehr nicht mehr alle Fahrgäste abkassieren konnte. Beim Fahrgastfluss mussten nun alle hinten einsteigen und am Schaffner vorbei und dieser hatte auf einem Sitzplatz deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Auf die Idee, mittels anderer Fahrpreistarife den Arbeitsaufwand der Schaffner zu verringern, kam man damals noch nicht. Der Großraumwagen V6 wurde auf Basis des inzwischen bereits 15 Jahre alten Konzepts des V5 entwickelt, dessen Fahrgestell- und Drehgestellabmessungen im Wesentlichen übernommen wurden, wenn auch die Detailausrüstung aus Neuentwicklungen bestand. Mit dem kurzen Drehgestellabstand wurde aber dessen Kardinalfehler beibehalten.
Während in Hamburg die ersten Großraumwagen bereits fuhren, wurde in der Düsseldorfer Waggonfabrik ein solcher erst komplett neu entwickelt, auf zu enge Hamburger Gleisbögen brauchte man keine Rücksicht zu nehmen. Andere Städte waren offenbar vorausschauender gewesen und setzten diese gelungenen Wagen mit 6 m Drehgestellabstand sehr erfolgreich ein. Bald folgten auch sechs- und achtachsige Gelenkwagen, die sich hervorragend über Jahrzehnte bewährten. Da sah man in Hamburg mit V6 und V7 bereits "ziemlich alt" aus. Zwar hatte Hamburg probeweise 1951 den modernen PCC 3060 aus einer Brüsseler Serie beschafft, er blieb aber der einzige in Westdeutschland. Er hatte recht gute Fahreigenschaften und war bei den Fahrgästen beliebt, konnte aber mit seinen 6,70 m Drehgestellabstand lediglich auf dem Abschnitt Dehnhaide - Farmsen fahren und wurde 1958 nach einem kurzen Probeeinsatz in Kopenhagen nach Brüssel verkauft. So verhinderten in Hamburg die in den 1920er Jahren stehen gebliebenen Gleisbaukonzepte den Einsatz moderner Fahrzeuge.
Die langen Überhänge der Wagenenden der V5 - V7 ließen diese bei Geradeausfahrt zum Schlingern neigen. Das wirkte sich lange Zeit nur wenig aus, da diese fast immer mit Beiwagen fuhren, was die Schlingerneigung dämpfte. Das sollte sich mit neuen Ideen zum Personaleinsatz aber ändern. Erste Versuche mit schaffnerlosen Beiwagen wurden bald wieder aufgegeben, da diese bei Solowageneinsatz nichts brachten. So investierte man in den Umbau der V7 und V6 Triebwagen zu schaffnerlosen Fahrzeugen, bei denen der Einstieg nun vorne war und der Fahrer Fahrscheine verkauften musste. Im schrumpfenden Netz wurde dann immer mehr auf Beiwagen verzichtet, so dass die Schlingerneigung der Triebwagen sich voll entfalteten konnte. Da nur noch Wagen mit gleicher Masse und damit gleicher Schwingungsdauer mit nahezu gleicher Geschwindigkeit verkehrten, gerieten die meisten gleichartig ins Schlingern und nutzten die Gleise abwechselnd rechts und links ab, so dass nun die Gleise das Schlingern noch förderten. In den letzten Betriebsjahren musste so auf gerader Strecke so manches Mal abgebremst werden, um den Wagenlauf zu beruhigen und als Fahrgast hielt man sich am besten in Wagenmitte auf.
Mit der Netzstilllegung war es dann mit diesen Hamburger Spezialitäten vorbei, Bei U- und S-Bahn geriet man aber mit deren weltweit inkompatiblen Systemen in ähnliche Sackgassen, die stets teure Spezialentwicklungen für Hamburg erfordern.
Bescheibung des V6 im Vergleich zu seinen Vorgängern
Neben dem Fahrgastfluss unterschieden die V6 sich vom V5 vor
allem durch die Mitteltür und durch eine modernere Elektrik sowie eine Fahrerkabine wie bei den U-Bahnen,
in die man durch grün getönte Scheiben hineinsehen konnte. Erstmals gab es eine vom Triebwagenschaffner
bediente Lautsprecheranlage in Trieb- und Beiwagen, außen aber nur am Triebwagen. Die Schaffner konnten die
Kiekert-Schiebetüren per Knopfdruck elektromotorisch schließen, den Einstieg auch öffnen,
während die Fahrgäste die Ausstiegstüren weiter von innen an einem Handgriff aufziehen mussten. Von außen war keine Türöffnung durch Fahrgäste möglich. Die Vordertür des Triebwagens wurde vom Fahrer statt vom Schaffner geschlossen. Am inneren Dachrand der Türseite gab es 2 Bediendosen mit Drucktasten und unverschlossenem Deckel, die von Fahrgästen nicht benutzt werden sollten, woran sich diese auch meist hielten. Diese wurden vom Schaffner genutzt, wenn dieser mal seinen Platz verlassen musste.
Die Abfertigungssignale wurden nicht mehr durch Außenglocken, sondern mit einer elektrischen Summeranlage übermittelt. Zur Fahrtrichtungsanzeige gab es Pendelwinker, die oft klemmten, hin und wieder von LKW "mitgenommen" wurden und nach Vorschriftenänderung später Wechselblinkern wichen. Rücklichter und eine "Stop"-Bremsleuchte gab es an der Rückfront. Während an den Zugenden die Hamburger Bolzenkupplung weiter verwendet wurde, wurden Beiwagen mit einer automatischen Scharfenberg-Kupplung gekuppelt, die oberhalb einen Aufsatz trug, der automatisch die elektrischen Verbindungen mittels gefederter Kontaktstifte herstellte.
Innerlich fiel die Bestuhlung ausschließlich in Fahrtrichtung durch an Stahlrohrgestellen angenietete Durofol-Sitzschalen auf, die von zahlreichen Fahrgästen allerdings als eher spartanisch empfunden wurden. Eine Abtrennung der Türräume durch Zwischenwände gab es nicht mehr, was an den Haltestellen besonders auf der rechten Fahrzeugseite für Zugluft sorgte. Die Innenverkleidung bestand aus Buche furnierten Sperrholzplatten und Buchenleisten. Die Wagen waren von Anfang an mit Tachos und Kilometerzählern ausgestattet und besaßen einen Weichen-Stellknopf, der eine Direktverbindung zwischen Oberleitung und Schiene über einen Widerstand herstellte, so dass nicht mehr - ggf. mit leicht angezogener Handbremse - der Weichenkontakt zum Stellen "mit Strom" befahren werden musste. Allerdings mussten die meisten Weichen anfangs noch von Hand gestellt werden, was mittels einer vor dem Schiebefenster auf der rechten Seite der Fahrerkabine aufgehängten Stellstange möglich war.
Geschichte der V6-Triebwagen
Der Probezug 3061 + 1331 von Falkenried ging am 5. Oktober 1949 in Betrieb. Weitere 62 Wagen von Falkenried folgten von Januar 1951 bis Ende 1952, von Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter kamen 40 Wagen zwischen dem 29.5.1951 und 16.4.1952. Diese bekamen die Nummern 3123 - 3162, die Falkenried-Wagen 3062 - 3122, 3163 und 3164. Parallel wurden 100 Beiwagen 1333 - 1432 von LHB geliefert.
Schon bald nach Inbetriebsetzung der V6 übte die Presse Kritik: Geringe Sitzplatzzahl, starke Beschleunigung, während man an der Kasse Schlange stehen oder sich nach vorn hangeln musste, mangelhafte Heizung, Lüftung und Beschilderung. Wie noch heute gern praktiziert, übten sich die Verantwortlichen in Verdrängung der Probleme zugunsten von massivem Eigenlob.
Erste Umbauten setzten schon frühzeitig ein. Bis etwa 1958 wurden an den Hamburger Wagen noch regelmäßig Grundüberholungen "GÜ" durchgeführt, wobei die Wagen weitgehend zerlegt und die aufgearbeiteten Teile wieder zusammengebaut wurden. Anschließend führte man nur noch Hauptuntersuchungen "HU" durch, die sich auf die Überprüfung und Aufarbeitung sicherheitsrelevanter Teile beschränkte und ansonsten nur Bedarfsausbesserungen umfasste.
Bei der ersten GÜ ab Mitte der 1950er erhielten die V6 zusätzlich Leuchtstofflampen wie die V7. Am Dach der Stirnfront wurde ein Linienbandkasten analog den V7 nachgerüstet, die kleinen Liniennummern in den Eckfenstern fielen weg und diese wurden mit Blech verschlossen. Diese Umbauten erfolgten teils auch unabhängig von der GÜ. Durch Entfall der Liniennummer im Fahrtzielfenster rückte die Zielanzeige in die Mitte und wurde breiter. Ersatz von festen durch weitere Kurbel-Übersetzfenster sollte die Belüftung verbessern. Neben komplettem Neulack außen wurden auch die Holzteile der Inneneinrichtung aufgearbeitet, die besonders im Fensterbereich durch Schwitzwasser gelitten hatten. Die ursprünglich helle Buche wurde dunkler gebeizt und mit neuem Klarlack versehen, womit die Verfärbungen durch Feuchtigkeit kaschiert werden konnten. Dennoch zeigten die Sperrholzplatten bald Auflösungserscheinungen, so dass die meisten Wagen "zwischendurch" - ohne Untersuchung - PAG-Holzplatten wie die V7 bekamen.
Einige Wagen erhielten versuchsweise andere Motoren und Antriebe.
Nachdem die Vorkriegs-Vierachser in die 2900er Nummerngruppe verdrängt waren, konnten LHB bzw. Falkenried Wagen 1958 getrennte Nummerngruppen erhalten: LHB: 3100 - 3139, Falkenried 3000 - 3061 und der Probewagen 3090. Dabei hielt man sich bei den LHB-Wagen nicht an die Reihenfolge, aus dem ersten Wagen war nun der letzte geworden.
Um Personal einsparen zu können, wurden die V6-Triebwagen zwischen Januar 1966 und April 1969 zu Einmannwagen umgebaut, wobei sie weitgehend den schon zuvor umgebauten V7E angeglichen wurden. Nun wurde der Fahrgastfluss im Triebwagen
umgedreht, Fahrkarten konnten beim Fahrer gekauft werden, zumindest wenn kein Beiwagen mit Schaffner vorhanden war. Die Schiebetüren wurden durch zweiflügelige Kiekert-Schwenktüren ersetzt, die sich lediglich durch die durchgehende statt der geteilten Verglasung von denen der V7E unterschieden. Der Umbau der Mitteltüren war besonders aufwändig, weil die nun 2 Türen mehr Breite benötigten und nicht nur die Fenster daneben schmaler werden sondern auch der gekröpfte Teil des Langträgers verbreitert werden mussten.
Zum Türöffnen standen von den Fahrgästen zu bedienende Taster mit einem Leuchtfeld zur Verfügung, die vom Fahrer freigeben werden mussten. Mit Rücknahme der Freigabe schlossen die Türen automatisch, Trittstufenkontakte verhinderten ein Einklemmen von Fahrgästen. Statt der kleinen Tür-Kontrolleuchte, die dem Fahrer Rotlicht bei offenen Türen zeigte, wurde die für den Triebwagen durch eine größere Leuchte ersetzt, die grün zeigte, wenn die Türen geschlossen und verriegelt waren. Für den Beiwagen blieb es bei der kleinen roten Anzeige, da dort der Schaffner für die Türen verantwortlich war.
Die Kurbel-Handbremse wurde durch eine hydraulische Federspeicherbremse ersetzt und der Trolleybock erhielt eine vom Fahrer bedienbare Absenkvorrichtung der Stromabnehmerstange, damit Fahrleitungsbaustellen mit Schwung durchfahren werden konnten. Dadurch konnte die "Beileine" für das Abziehen des Stromabnehmers durch den Schaffner entfallen. Am Wagenende wurde ein Hilfsführerstand vorgesehen und die Wagen mit Notbremsen ausgerüstet. Mit Entfall des Schaffnerplatzes wurde die Bestuhlung umgestellt, wobei die Doppelbänke von vorne links nach hinten rechts wanderten und die Sandkästen neu gebaut werden mussten. Die Hinterplattform erhielt gepolsterte Klappsitze. Dem Einbau des Zahltisches in die Führerstandswand war deren Schiebetür im Wege, die in eine Drehtür umgebaut wurde, auch musste die Kabinenwand an den Vordereinstieg angepasst werden. Die rechte Kabinentür entfiel und wurde durch ein leicht abgewinkeltes Wandstück wie beim V7 ersetzt. Ferner erhielten die Wagen statt des Lattenbodens einen Gummimattenbelag und die Innendecke aus Sperrholz und Blech wurde durch weißes Resopal ersetzt.
Schließlich wurde eine Rollbandautomatik für das Zielschild und die in die seitliche Dachwölbung eingebaute Laufweganzeige installiert und daneben über dem Eingang ein Schild montiert, das zwischen "ohne" und "mit" Fahrtausweis [HHA-Deutsch] bei Beiwagenbetrieb umstellbar war, auch wurde hinten ein Liniennummernkasten ergänzt. Vorne wurden Linienbänder mit rotem bzw. schwarzem Untergrund eingebaut, rot zeigte den Solowageneinsatz an. Weiter erhielten die Fahrzeuge Funkgeräte, die eine Kommunikation mit der Betriebsleitung ermöglichten. Die korrosionsanfälligen Regenrinnen wurden abgeschnitten und über den Türen kurze Regenleisten angebracht. Die vordere Fahrtzielanzeige erhielt eine gummigefasste Glasscheibe. Und natürlich gab es neue Wagennummern, nun die 3600 - 3661 fär die Falkenried-Wagen und 3550-3589 für die von LHB. Der Probewagen 3090 wurde 3598. Um Einmannwagen von weitem erkennbar zu machen, bekamen diese elfenbeinfarbene Farbbalken um die Wagenenden.
In den letzten Jahren veränderte sich nur noch wenig. Abgängige Radsätze erhielten teils noch neue Scheibenräder. Die oft unzureichend schließenden Schwenktüren führten zu Zugluft, nicht selten drang auch Regen oder Schnee ein, auch schien ohne Beiwagen der erzeugte und zum Heizen genutzte Bremsstrom weniger zu sein, so dass es im Winter ziemlich kalt in den Wagen war, unter 2 Sitzen eingebaute Heizlüfter brachten nur wenig Besserung. Etwa Mitte der 1970er gönnte man den schon arg schäbig aussehenden Wagen einen Neuanstrich, bei dem das korossionsanfällige Schild über dem Eingang meist entfiel und durch Aufkleber ersetzt wurde, weil der Beiwagenbetrieb bereits stark rückläufig war.
Auch die gelbe "Bauchbinde" als Kennzeichnung der Einmannwagen konnte entfallen, da es nichts anderes mehr gab. Bei einer Erneuerung der Zielbänder in Positivschrift verzichtete man auf die Laufwegbeschilderung, die im schrumpfenden Netz häufig wechselten und zeigte im rechten Feld nur das Fahrtziel, während das linke stillgelegt und die Glasscheibe mit Werbung für die Fahrzeugwerkstätten Falkenried beklebt wurde. Nach Ende des Beiwagenbetriebs wurde bei etlichen Wagen der elektrische Teil der Scharfenbergkupplungen abgebaut. Die Polster der Klappsitze im Heck wurden bei Schäden durch Durofolschalen ersetzt oder die Sitze gleich ganz demontiert. Die ersten Ausmusterungen erfolgten bereits im Dezember 1972, meist nach größeren Schäden parallel zu den V7E.
Geschichte des Wagens 3106 / 3044 / 3644
1952 wurde der Wagen mit der Nummer 3106 von Falkenried geliefert. Wie die nachfolgenden Bilder vermuten lassen, erfolgte der Umbau der Liniennummmern-Beschilderung bereits etwa 1955 mit Wegfall der kleinen seitlichen Linienbänder und Einbau des Liniennummernkastens auf der Dachkante. Vermutlich 1958 im Rahmen der 1. "GÜ" bekam er die Nummer 3044.
Mit dem Umbau zum Einmannwagen V6E, dessen genauer Zeitpunkt uns nicht bekannt ist, wechselte die Wagennummer zur 3644.
Bis zur Einstellung der Hamburger Straßenbahn am 1. Oktober 1978 stand der Wagen
im Einsatz, zuletzt mit einer Totalwerbung für eine Versicherungsgesellschaft.
Der Wagen wurde nach seinem Transport zum Schönberger Strand am 11.11.1978 in den typischen
Hamburger Farben rot/creme überlackiert. Durch die lange Freiaufstellung und
die schlechte Pflege durch die HHA in den 1970ern ist der Zustand der
Karosserie relativ schlecht, elektrisch ist der Wagen hingegen in Ordnung, so
daß mit diesem Wagen 1993 der elektrische Straßenbahnbetrieb
am Schönberger Strand aufgenommen wurde. Zur Aufarbeitung der Karosserieschäden
ist der Wagen zur Zeit aus dem Fahrgastverkehr herausgenommen worden.
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Museale Bedeutung
Für die Nachkriegszeit und den Niedergang der Hamburger Straßenbahn ist der V6E ein wichtiger Zeuge, auch wenn er als Einmannwagen nur noch das letzte Jahrzehnt repräsentieren kann. Die massiven Umbauten zum Einmannwagen machen eine Rekonstruktion zum V6 nahezu unmöglich, so dass er in seinem letzten Einsatzzustand gut das Ende der Hamburger Straßenbahn darstellen kann. Großraumzug und letzte Neubeschaffung für Hamburg wären eher mit den V7-Wagen darstellbar, deren Rückbau in den Lieferzustand 1957 sicher auch sehr aufwändig, aber nicht gänzlich unmöglich erscheint. Neben unserem Wagen sind weitere erhalten: 3642 in der Barmbeker Hochbahnwerkstatt, 3657 im dänischen Straßenbahnmuseum, 3564 im ehemaligen LHB-Werksmuseum und 3557 in San Francisco sowie 3571 unrestauriert im Hannoverschen Straßenbahnmuseum.
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Weitere Bilder
Im Ursprungszustand ist uns kein Bild unseres Wagens bekannt. Noch mit seiner ersten Nummer 3106 fährt er hier am Nachmittag des 31. März 1956 über den Adolphsplatz. Die Nummer des Beiwagens ist auf dem Bild nicht genau erkennbar, die zweite Stelle ist aber als "4" deutbar. In alten Aufzeichnungen von Ende der 1950er mit Angabe der Werbung findet sich in der in Frage kommenden Nummerngruppe 1400 - 1431 nur 1400 mit Medicus Reklame. Dieser Wagen, der bald 4168 heißen wird, könnte es sein. Offenbar erfolgten die Umbauten der Linienbeschilderung auch schon vor der 1. "GÜ" der Wagen. Der Liniennummernkasten ist schon da, die seitlichen kleinen Liniennummern nicht mehr. Die kleinen Fenster wurden zugeschweißt. Im Vergleich mit dem Beiwagen mit seinen klaren Linien, stellt dies optisch eher keine Verbesserung dar. Foto: J.T.C. van Engelen - Sammlung VVM
Daten zu diesem Bild haben wir nicht. Also vermuten wir wieder einmal... Ganz offensichtlich entstand das Bild kurz nach Abschluss einer GÜ in Falkenried. Da die neuen Nummern zuerst bei solchen Arbeiten angebracht wurden und 1958 eingeführt wurden, schreiben wir wahrscheinlich dieses Jahr. Recht selten sind Farbbilder aus dieser Zeit. Farbdiafilme gab es zwar bereits kurz vor dem 2. Weltkrieg, aber diese Filme waren auch 1958 noch sehr teuer. Nach Preisen von 2013 musste man rund einen Euro pro Dia ausgeben. Foto: vmtl. HHA - Sammlung VVM
Neuerungen an den Fahrzeugen fordern Verkehrsamateure zum Fotografieren heraus. So scheint 3044 hier auch kurz nach der 1. GÜ aufgenommen worden zu sein, spätestens aber 1959, denn da bekamen alle Wagen Fahnenhalter an der Dachkante der Vorderfront, die hier noch fehlen. Wahrscheinlich bei der GÜ fiel die seit Aufsetzen des Liniennummernkastens überflüssige Liniennummer im Fahrtzielfenster weg und das Fahrtziel wird nun mittels einer breiteren V7-"Broserolle" angezeigt. Die Weichen in die Kehrschleifen am Rathausmarkt mussten übrigens bis zum Schluss von Hand gestellt werden. Dafür gab es im Berufsverkehr zeitweilig einen Posten, der das den Fahrern abnahm, damit sich die Bahnen nicht stauten. Foto: W. Bollhorn - Sammlung VVM
Am 5. Juni 1962 fotografierte Kurt Scheffer 3044 mit unbekanntem Beiwagen in der Bramfelder Straße, wahrscheinlich an der Haltestelle Pestalozzistraße. Das Haltestellenschild könnte sich hinter dem Fotografen befinden und die Damen wollen wohl den Beiwagen benutzen. Foto: © K. Scheffer.
An einem Wochenende im Mai 1965 gab es eine Innenstadtsperrung, so dass alle Bahnen aus dem Osten in der Schleife ZOB wenden mussten. 3044 befährt hier die planmäßig nicht befahrene Osteinfahrt in die Wendeschleife. Foto: © W. Greiffenberger.
Für Ende Mai 1965 stand das Ende der Barmbeker Linien bevor. Erstmals hatte sich der noch junge Verkehrsamateur entschlossen, einzustellende Linien abzuwandern und fotografisch leidlich zu dokumentieren. Der Wettergott war ihm nicht wohlgesonnen, so sieht man 3044 hier bei Regenwetter an der Mundsburger Brücke auf der Fahrt nach Ohlsdorf. Foto: © W. Greiffenberger.
Auch Ernst Voss war offenbar zu dieser Zeit unterwegs an der Bramfelder Linie 9 und erwischte 3044 an der Haltestelle Krügers Redder in der Fabriciusstraße. Man beachte die Anordnung der Verkehrsampel links der Straße weil rechts zwischen Fahrbahn und Straßenbahn der Platz dafür nicht reichte. Foto: © E. Voss, Sammlung VVM.
Dem anfahrenden V6 3044 göntte Ernst Voss ein weiteres Bild an fast der gleichen Stelle. Foto: © E. Voss, Sammlung VVM.
8 Jahre weiter, Ende Mai 1973, hatte die "1" zwischen Bahrenfeld und Rödingsmarkt über Altona und Hafen ihre letzten Tage. Inzwischen als "POP"-V6E 3644 überquert unser Wagen am Rödingsmarkt die Ost-West Straße. Foto: © W. Greiffenberger.
Nur ein Jahr später ist die "9" zum Flughafen an der Reihe. Und wieder ist 3644 dabei, hier in der Schleife Erdkampsweg. Foto: © W. Greiffenberger.
Wenig später gibt es in der Sengelmannstraße eine weitere Begegnung mit 3644. Heutzutage ist hier alles hundertprozentig "autogerecht" - Beton, Asphalt, Lärm, Abgase und jede Menge Blechbüchsen - sonst nichts mehr. Foto: © W. Greiffenberger.
Am 23.2.1976 begegnet uns 3644 erneut, nun an der Horner Rennbahn, auch hier steht das Ende bevor. Foto: © W. Greiffenberger.
Gut zwei Jahre weiter, am Abend des 21.5.1978, werden gleich letztmalig Straßenbahnen durch die Mönckebergstraße rollen - und wieder ist 3644 dabei und wartet hier in der Schleife ZOB. Der andere Wagen ist wahrscheinlich 3611, aber ganz genau ist die Nummer auf dem Originaldia nicht erkennbar. Im Sommer 1978 bis zum bitteren Ende wurde 3644 sicherlich noch manches Mal auf der Linie 2 abgelichtet, aber wir haben nun doch ausreichend Betriebsaufnamen gebracht und verzichten auf weitere. Foto: © W. Greiffenberger.
Nun sehen wir den Wagen am Schönberger Strand auf dem Eisenbahngleis 1 am 17. Juni 1983. Hier besitzt er noch das Schild über dem Einstieg, das den Zustieg von Fahrgästen mit/ohne Fahrschein regelt. Bei den meisten Wagen verschwand es schon in den letzten Betriebsjahren, weil es korrosionsanfällig und ohne Beiwagen überflüssig war. Da es hinter dem Schild auch immer wieder Dachleckagen gab, wurde es schließlich auch beim 3644 entfernt. Foto: © W. Greiffenberger.
Anlässlich von Nikolausfahrten der Museumseisenbahn gab es am 4. Dezember 1994 auch Straßenbahnfahrten. Die Gleisanlage gab es zwar schon, aber Fahrzeughalle und Oberleitung fehlten noch. Damals war 3644 das einzige einsetzbare Fahrzeug. Foto: © W. Greiffenberger.
Ebenfalls am 4.12.1994 ist 3644 hier bei Einfahrt in die "Südschleife" zu sehen. Der Strom kam von einem als Batteriewagen mitgeführten Arbeitswagen. Foto: © W. Greiffenberger.
Hinter der Schönberger Fahrzeughalle nur notdürftig abgeplant träumt 3644 am 2. August 2008 von besseren Zeiten. Inzwischen ist der marode Aussichtsturm rechts abgerissen und es gibt Planungen, diese "tote Ecke" durch einen Werkstattanbau an die Fahrzeughalle zu nutzen, womit auch weitere Straßenbahnen unter Dach kämen. Foto: © W. Greiffenberger.
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