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Kurzer Abteilwagen der Eisenbahn Chemnitz - Aue - Adorf
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Wagenkasten des Sachsen 2131 am 13.6.1992 als Bude am Haltepunkt Seiffen im Erzgebirge. Foto: © W. Greiffenberger.
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Technische Daten
Wagennummer | 2131 |
Typ | C |
Hersteller | Eisenbahnwagen-Bau-Anstalt Hamburg-Rothenburgsort |
Baujahr/Fabriknummer | 1874 / ? |
Frühere Bahngesellschaft | CAAE / k.sä.Sts.B. / DRG |
Länge über Puffer | 6930 mm |
Drehzapfen-/ Achsstand | 3050 mm |
Raddurchmesser | 1000 mm |
Masse | 7625 kg |
Bremse | ohne? |
Höchstgeschwindigkeit | 50 km/h |
Beleuchtung | Öllampen |
Rahmen | Langträger I-Stahl 235x90, sonst Holz, nicht tragender Wagenkasten |
Heizung | Presskohle |
Plätze 1/2/3/4.Kl./Steh | -/-/35/-/? |
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Fahrzeuggeschichte
Dieser Abteilwagen mit dreieinhalb Abteilen ist bis auf die eisernen
Langträger, Verbindungselemente, Beschläge und Blechverschalung
eine reine Holzkonstruktion.
Neben der sächsischen Staatsbahn (65 Wagen) beschaffte auch
die CAAE (Chemnitz - Aue - Adorf Eisenbahn) um 1875 ca. 33 dieser kurzen Wagen, die zur Erstausstattung der Ende 1875 eröffneten Bahn gehörten. Wegen unter den Erwartungen bleibender Erlöse wurde die Bahn bereits am 15.7.1876 an den sächsischen Staat verkauft und ging als CA-Linie in der Staatsbahn auf.
Ähnliche Wagen wurden von vielen deutschen Bahnen etwa von 1855 - 1885 beschafft.
Die CAAE Wagen erhielten nach der Verstaatlichung der Bahn Staatsbahnnummern ab 2130.
Für die ab etwa 1900 zunehmend eingesetzten luftgebremsten schwereren
Züge waren diese leichten Holzwagen nicht stabil genug, dennoch blieben
etliche bis ca. 1922/23 in untergeordneten Diensten in Betrieb, zuletzt meist noch zur 4. Kl. herabgestuft.
Besonders die sparsamen sächsischen
Bahnmeistereien stellten viele alte Wagenkästen als Schuppen auf, wofür es sogar Ausführungsvorschriften gab. Vielfach verkauften die Bahnen auch Wagenkästen für die private Nutzung. So überstand der 2131 weitere 70 Jahre als Bude
am Haltepunkt Seiffen/Erzgebirge. Nach der politischen Wende in der DDR wurden diese Relikte bald überzählig und verschwanden zunehmend. Am 7.11.1992 trat der Wagenkasten auf einem Niederbordwagen seine Reise zum VVM in Aumühle an, wo er seitdem abgeplant seiner Zukunft harrt.
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Museale Bedeutung
Während von den "moderneren" Wagenbauarten ab etwa 1890
einige langlebige Exemplare dem ab 1965 aufkommenden Museumsgedanken
ihr Überleben bis heute verdanken, ist aus den ersten 50 Jahren des
Eisenbahnwesens fast nichts erhalten. Kurze Abteilwagen mit 4 Abteilen waren bis zum vermehrten Aufkommen längerer Wagen mit meist 6 Abteilen gegen 1890 etliche Jahrzehnte das Standard-Beförderungsmittel vieler deutscher Bahnen.
Mit dem Ende der DDR war auch das Ende der dort noch zahlreich als Buden entlang der Bahnen vorhandenen Relikte aus der Frühzeit der Eisenbahnen abzusehen und es erschien sinnvoll, die Überreste eines solchen kurzen Abteilwagens zu bergen und sicherzustellen, sofern dies mit vertretbarem Aufwand realisierbar war. Das Seiffener Exemplar mit sogar nur dreieinhalb Abteilen erschien hierfür besonders geeignet.
Erst einige Zeit nach Eintreffen des Wagenkastens beim VVM ergaben Ermittlungen sächsicher Eisenbahnfreunde noch einen konkreten Bezug zu Hamburg, dies war der Ort seines Entstehens in der Eisenbahnwagen-Bau-Anstalt Hamburg-Rothenburgsort, die alle 33 Wagen 1874/75 nach Sachsen lieferte! Dies ging aus noch vorhandenen Unterlagen der sächsischen Staatsbahn anhand der noch am Wagenkasten auffindbaren Wagennummer 2131 hervor. Die überlieferten Daten zu den früheren Hamburger Waggonfabriken sind nicht üppig. Die einst nördlich der Spaldingstraße auf Höhe der Repsoldstraße gelegene Waggonfabrik Lauenstein hatte ein Zweigwerk in Rothenburgsort, dessen Standort uns nicht bekannt ist, dies könnte der Entstehungsort des Wagens sein. Der Wagenkasten ist somit eines der wenigen Relikte Hamburger Eisenbahn-Produzenten.
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Weitere Bilder
Am gleichen Tag wie das Titelbild ein Blick auf die andere Wagenseite. Foto: © W. Greiffenberger.
Am 7.11.1992 erfolgte die Verladung in Seiffen. Unter den Stromdrähten war es recht knapp. Foto: © W. Greiffenberger.
Auslöser für die Beschaffung des 2131 war dieses ebenfalls sächsische Exemplar, das irgenwie nach Winsen gelangte und dort als Bahnmeister-Bude der OHE überlebte und 1973 bei der Gelände-Räumung von einem Privatmann übernommen wurde. Dieser stellte den Kasten auf ein ähnlich altes Untergestell, das aber - wie die kurzen Federn demonstrieren - von einem Güterwagen stammt. Bild vom 15.3.1980 vor dem Lokschuppen Rothenburgsort. Zur Vermeidung von Spekulationen: Der dahinter sichtbare Tender gehört zur 38 1772. Foto: © W. Greiffenberger.
Einen Monat später, am 19.4.1980, ist nicht nur die andere Wagenseite braun gestrichen, auch historisch passende Puffer sind montiert, eine Notwendigkeit zum Verlassen des gekündigten Rothenburgsorter Geländes. Am späteren Standort Wilhelmsburg überwarf sich der Wagen-Eigentümer mit dem dortigen Museums-Betreiber, was den Wagenkasten zu Feuerholz werden ließ und zum Verkauf des Untergestells führte. Ob der 2131 irgendwann sein Nachfolger werden könnte, ist ungewiss und Sache der nächsten Generation Bahnfreunde, so es solche angesichts der derzeitigen DB AG noch geben sollte. Foto: © W. Greiffenberger.
Die mehrheitlich bereits unter Dach aufgestellten Fahrzeuge des Aumühler Museums machen Mut, auch die jahrzehntelang unzugänglich unter Planen abgestellten "Leichen" wieder mehr in den Blickpunkt zu rücken und ihnen gelegentlich etwas Arbeitszeit zukommenen zu lassen. So gibt es erste Gedanken, wie man den "Sachsen" zumindest wieder auf eigene Achsen stellen könnte. Obwohl er derzeit noch abgeplant im Freien stehen muss, ist nun ein Planenteil so weit gelockert, dass man sich nach fast zweieinhalb Jahrzehnten wieder ins Wageninnere zwängen kann, was unser Elektriker gleich dazu nutzte, die noch intakte Beleuchtung aus seiner "Budenzeit" mittels eine Kabels durch ein Loch im Boden leicht anschließbar zu machen. Die Kamera musste auch gleich aktiv werden, um auch den Innenraum zu dokumentieren.
Auf dem Boden liegen 2 Türen und unter der einen noch vorhandenen Sitzbank weitere Teile eines ähnlichen Wagens, den wir bei einem zweiten Besuch bereits nur noch als Teilehaufen vorfanden. Die Beleuchtung von Eisenbahnwagen war jahrzehntelang ein Problemfall. So besaß auch unser Wagen lediglich 2 Öllampen, die eine befand sich in einer kleinen Aussparung mitten in der Wand zwischen dem Halbabteil und den restlichen 3 Abteilen. Ein rostiges Blech zum Verschließen des Lochs in der Wand ist dort derzeit noch zu sehen. Die zweite Lampe saß in der Mitte der 3 Vollabteile. Diese hatten zwar durchgehende Bänke von Wagenwand zu Wagenwand, aber offenbar keine vollen Trennwände zwischen den Abteilen, damit die eine Öllampe ein wenig Licht ins Dunkel bringen konnte - heute kaum mehr vorstellbar, aber noch keine 150 Jahre her.
Foto: © W. Greiffenberger.
Blick auf Zwischen- und Seitenwand mit Türen und der einen noch vorhandenen Sitzbank. Mit nur etwas über 2m Raumhöhe hat man sich noch nicht weit von der Postkutsche entfernt, das gilt auch für die Möglichkeiten, hinauszuschauen. Nun, selbst in modernsten Zügen bietet ein "Fensterplatz" ja mitunter Graues aus der Kunststoffpresse statt Glas und Landsch.. äh Lärmschutzwand an. Foto: © W. Greiffenberger.
Auch in der Gegenrichtung wird die niedrige Dachhöhe offenbar. Warum man nicht eine der 8 Türen weiter nutzte, sondern ein Loch in die Stirnwand sägte, wird sich auch kaum mehr klären lassen. Auch hier sind noch Reste der herausgerissenen Sitzbank enkennbar, deren Rückenlehnen gleichzeitig als Innenverschalung der Wand dienten. Deutlich erkennt man auch, dass es eine primitive Gepäckablage aus Brettern nur an den vollen Querwänden gab. Gut zu erkennen sind links auch noch die mit Blech verschlossenen Einschuböffnungen der Presskohlenheizung. Unter den Bänken befanden sich geschlossene Blechkästen mit Öffnungs-/Luftklappen in der Seitenwand, durch die längliche Behälter mit glühenden Presskohlen (Brikett) eingeschoben werden konnten, heute ebenfalls unvorstellbar. Foto: © W. Greiffenberger.
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