|
Dreiachsiger Nebenbahn-Durchgangwagen 2. und 3. Klasse Bromberg 1184
|
Ja, Sie haben richtig gelesen und es ist kein Schreibfehler, zu Preußens Zeiten hieß es noch „Durchgangwagen”, das „s” gesellte sich erst in den 1920er Jahren hinzu. Ein paar schwache Sonnenstrahlen am 13.2.2016 erlaubten dieses Bild. Foto: © W. Greiffenberger.
|
Technische Daten
Wagennummer | Bromberg 1184 / Osten 1184 / Osten 744 009 / Hamburg 700 177 / Hamburg 5681 / Bahnhofswagen Hamburg 51101 |
Typ | BC3ipr08 (Mbl. Ic3 2. Aufl.) |
Hersteller | Steinfurt, Königsberg |
Baujahr/Fabriknummer | 1914 / ? |
Frühere Bahngesellschaft | KPEV / DRG / DB |
Länge über Puffer | 12800 mm |
Drehzapfen-/ Achsstand | 7500 mm |
Raddurchmesser | 1000 mm |
Masse | ? kg |
Bremse | Wpbr-GP 10" (Stv+GP 8"), Spindel-Hbr. |
Höchstgeschwindigkeit | 80 km/h |
Beleuchtung | elektr., urspr. Gaslicht |
Rahmen | genietete Stahlprofile, Langträger NP 235, nicht tragender Wagenkasten |
Heizung | Dampf |
Plätze 1/2/3/4.Kl./Steh | -/16/26/-/? |
|
Fahrzeuggeschichte
Nur etwa 15% der von der KPEV beschafften Wagen waren Durchgangwagen mit Plattformen für Nebenbahnen. Das übliche Angebot auf den Nebenbahnen war anfangs die 4. Klasse. Selbst die 3. Klasse machte kaum ein Drittel der Plätze aus und manche Züge und sogar ganze Strecken kannten gar kein Polsterklasse-Angebot. Die älteren, etwa 4200 von 1891 bis 1904 gebauten Wagen mit niedrigem Oberlichtdach waren meist Zweiachser, hatten Holzfensterrahmen, von denen meist 2 nebeneinander pro Abteil angeordnet waren, in der dritten und zweiten Klasse konnte man auch eine Anordnung wie bei den Abteilwagen finden - feste Bankfenster mit einem versenkbaren breiterem dazwischen.
Mit der ab 1904 aufkommenden verbesserten Bauform mit höherem Laternendach kamen dann Messingfensterrahmen mit Lüftungsklappen darüber, an deren Seiten gefederte Seilzüge das Gewicht der Fenster ausglichen, so dass nur noch einteilige Fenster größerer Breite eingebaut wurden. Damit war dann die endgültige Bauform der pr. Nebenbahnwagen gefunden. Nach diesen Grundsätzen entstanden bis 1922 weitere 4400 Wagen, nun überwiegend als Dreiachser und die 3. Kl. überwog nun die 4. Kl. etwas, und auch die 2. Kl. holte etwas auf. So waren dann die 850 BC3i nach Musterblatt Ic3 wie unser Bro 1184 die mit Abstand meistgebauten preußischen Polsterklasse-Nebenbahnwagen.
Wie es zur Reichsbahnzeit mit den Nebenbahn-Preußen weiterging, ist wenig bekannt. Diese Bauarten waren wohl weniger von Waffenstillstandsabgaben betroffen. Neue Strecken gab es auch kaum noch und die Reichsbahn baute außer wenigen eisernen Kleinserien Anfang der 1930er Jahre überhaupt keine Nebenbahnwagen mehr, dafür drangen die sich auf Hauptbahnen nicht bewährenden Einheits-Durchgangswagen teils in diese Dienste ein. Auch von größeren Umbauaktionen der zahlreichen 4. Kl. Nebenbahnwagen nach Abschaffung dieser Wagenklasse ist nichts bekannt, so dass es wohl bereits etliche Ausmusterungen gab und auch Verkäufe an Kleinbahnen. Auch Triebwagen lösten bereits Nebenbahn-Dampfzüge ab und was den 2. Weltkrieg überlebte, wurde alsbald Opfer der Schienenbusse bzw. des PKW. Die Fahrgestelle wurden teils aber noch für die „Umbauwagen” weiterverwendet.
Freigelegte Anschriften am Langträger unseres Wagens belegen als erste Nummer Osten 1184 noch im preußischen Farbton direkt auf dem ersten Anstrich. Die in Berlin ansässige Direktion Osten entstand am 24. Januar 1920 aus den Resten der nun polnischen Direktionen Bromberg, Danzig und Posen, wobei die Bromberger Wagen ihre Nummer behielten, die anderen ein A bzw. B hinter der Nummer bekamen. Da diese Zeichen nicht gefunden wurden, kann angenommen werden, dass unser Wagen ein ex Bromberger ist. Offenbar hat man die Schrift Bromberg sorgfältig entfernt und durch Osten ersetzt. Denkbar wäre, dass dies zur Abwehr etwaiger polnischer Eigentumsansprüche erfolgte. Ungewöhnlich groß geriet dabei der Abstand zwischen Direktion und Nummer, ein weiteres Indiz dafür, dass beide Schriften wahrscheinlich nicht gleichzeitig aufgetragen wurden. Erstaunlicherweise wurde eine Nummer aus den beiden DRG-Umzeichnungsplänen nicht gefunden, auch konnten Eisenbahnfreunde unseren Wagen in diesen Plänen nicht identifizieren, woraus geschlossen werden kann, dass der noch relativ neue Wagen bereits Mitte der 1920er Jahre Bahndienstwagen wurde. Die Dienstwagennummer 744009 findet sich auch an diversen Teilen der Inneneinrichtung mit Schlagzahlen angebracht.
Die freigelegten Nummern sind von unten nach oben: Osten 1184 (elfenbein), Osten 744009 (erst weiß, dann gelb), 700177 Hamburg (erst gelb, dann fast orange) und 5681 (gelb). Die letzte Nummer Bahnhofswagen Hmb. Wilhelmsburg 51101 wurde nur noch an den Seitenwänden angebracht, wobei die 51 die Direktion Hamburg kennzeichnet. Als was der Wagen in der Direktion Osten genutzt wurde, ist nicht überliefert.
Folgende Umbauten fanden statt: Verschluss des Oberlichts außen, innen Entfall der Lüftungsschieber 3. Kl.. Ersatz des Linoleums der Seitenwände durch Hartfaserplatten im Seitengang. Einbau eines Schranks mit Scheibplatte (und angeklebtem Frachtzettel von 1937) im ersten Polsterklasseabteil an Stelle einer Sitzbank, die andere blieb bis auf den DRG-Polsterbezug im pr. Zustand mitsamt Gepäcknetz erhalten. Das 2. Polsterklasseabteil wurde zur Küche mit Kohleherd, Einbauschränken und Durchreiche zur 3. Kl. umgebaut. Die Zwischenwand in der 3. Kl. wurde unterhalb des Dachbereichs bei der 3er-Bank ganz, bei der 2er-Bank oberhalb dieser entfernt, gegenüber der Seitengangtür wurde die Bank durch einen Kohleofen ersetzt. Im Bereich der 3er-Bänke blieben diese nur an der Stirnwand und an der nunmehrigen Küchenwand, die Reste der übrigen Bänke wurden mit aufklappbarer Sitzfläche und Lagerkästen darunter entlang der Seitenwand aufgestellt und mit langen, schmalen Tischen ergänzt. Die Gepäcknetze verblieben nur an der Stirnwand und wegen der Durchreiche gekürzt an der Küchenwand. Der Abort 3. Kl. wurde zum Kleider-Trockenraum umgebaut, wobei die Drehtür zur Schiebetür wurde. Die Dampfheizung wurde diesen Umbauten angepasst. Die Beleuchtung wurde unter Beibehaltung der Lampenkörper von Gas auf elektrisch 24V umgebaut und in den Seitendachwölbungen DRG-Lampen mit 220V-Anschluss angebracht. Vom Dachaufstieg an der geschlossenen Plattform wurde der obere Teil entfernt und bei einer Neuverblechung der Seitenwände wurden die Bleche verschweißt und unter Verzicht auf alle Abdeckleisten mit Rundkopfschrauben angebracht.
Der Frachtzettel im Schrank legt nahe, dass der Umbau der Inneneinrichtung erst 1937 erfolgte, was auch einer normalen Nutzungsdauer des Wagen von 33 Jahren entspräche, aber es könnte auch ein Zweitumbau sein. Ob der Wagen bereits nach diesem Umbau in die Hamburger Direktion gelangte oder erst durch die Kriegsereignisse, ist nicht bekannt. Von der dortigen Verwendung ist zumindest für die 1960er Jahre überliefert, dass er Personalwagen im Hilfszug Husum war. Welchen Zwecken er zuletzt als Bahnhofswagen in Wilhelmsburg diente, ist ebenfalls unbekannt, möglicherweise war er Pausenraum für das dortige Rangierpersonal.
Auf Grund seiner Einrichtung wurde der Wagen beim VVM stets als Buffetwagen genutzt. Arbeiten am Wagen beschränkten sich lange auf das allernötigste. Im winter 1998/99 wurde der 3. Kl. Bereich renoviert, wobei einige Rückumbauten erfolgten. Die Tür zum inzwischen als Getränkelager dienenden ehemaligen Abort 3. Kl. wurde wieder zur Drehtür und der fehlende Zwischenwandteil auf der Seite der 2er-Bänke neu gebaut und mit den noch vorhandenen Resten verleimt. Das Oberlicht wurde auf der Innenseite komplett wiederhergestellt - leider wegen der weiterhin verschlossenen Außenseite funktionslos. Die Innendecke im Bereich des nicht mehr vorhandenen Ofenrohres wurde wiederhergestellt und die Gepäcknetze mittels Stützen aus dem Ersatzteilbestand so weit möglich neu gebaut. Zudem bekam der Wagen einen Drehstromanschluss und der Buffetraum ist mit Heizlüftern unter den Bänken wieder beheizbar.
Es folgte die Überarbeitung der wassergeschädigten Plattform-Stirnwand, die auch wieder einen kompletten Dachaufstieg erhielt - ein Nachbau, der für einen beim Wilhelmsburger Großbrand vernichteten ähnlichen Wagen entstanden war. Mittels 1€-Kräften konnte um 2005 auch eine weitgehende Entrostung und Konservierung des Fahrgestells erfolgen, wobei auch Attrappen der ehemaligen Gasbehälter eingebaut wurden. Zudem konnten an Stelle der Scheibenradsätze Speichenradsätze aus dem Lagerbestand eingebaut werden, nun auch wieder korrekt mit 02er Lagern an Stelle der falsch von der DB an den Endachsen eingebauten Lagern der Verbandsbauart. Zudem erfolgte eine weitgehende Anstricherneuerung und als Spende einer Dachdeckerfirma überklebte diese die abgängige Dachhaut mit einer Lage Schweißbahn. Zwar verschiebt das eine wünschenswerte Öffnung des Oberlichts weit in die Zukunft, aber sichtbare Indizien lassen dies aufwändig erscheinen, besonders an den Seitendächern dürften erhebliche Feuchtigkeitsschäden zu beseitigen sein - ohne weitere kompetente Mitarbeiter muss das erst mal ein Wunsch bleiben.
|
Museale Bedeutung
Auch wenn unser Wagen in einigen Details vom vorliegenden Musterblatt Ic3 abweicht und seine Geschichte teils nur vermutet werden kann, gehört er zur mit 850 Stück mit Abstand meistgebauten Polsterklasse-Wagenbauart für preußische Nebenbahnen und ist damit ein wichtiger Zeitzeuge. Zudem kann er nach Restaurierung zum Personenwagen mit seiner 3. Klasse Hälfte weitere 1500 reine 3. Klasse Wagen repräsentieren, die weitgehend baugleich ausgeführt waren. Zusammen mit seinem 4. Kl. Kollegen und dem PwPosti kann er bereits einen Nebenbahnzug darstellen. Auch wenn uns über die Verteilung der Wagen nichts vorliegt, dürften einige von ihnen Jahrzehnte auch auf norddeutschen Nebenbahnen zugebracht haben.
|
Weitere Bilder
Kurz nach dem Titelbild entstand diese Ansicht mit der geschlossenen Plattform und den wiederentstandenen Stirnwandaufstiegen. Die filigranen Doppelspeichenräder kommen bei einem Plattformwagen besser zur Geltung als bei Abteilwagen mit dem langen Trittbrett davor. Foto: © W. Greiffenberger.
Mit fast seinem gesamten damaligen Fahrzeugbestand war der VVM im eisigen November 1973 eine Woche zu Filmaufnahmen in Hollenbek. Auch der Bro 1184 durfte nicht fehlen und seine Küche wurde zur Versorgung des VVM-Personals genutzt. Am Sonntag nach den Filmaufnahmen gab es dann öffentliche Dampf-Sonderzüge zwischen Ratzeburg und Hollenbek. Und was war da noch? Richtig! Ein nicht nur so heißender autofeier Sonntag mit Fahrverbot privater Autofahrten wegen der damaligen Ölkrise! Trotz damit notwendiger Bahnanreise waren die Sonderzüge gut besetzt. Foto: © W. Greiffenberger.
Am 17. Juni 1978 fuhr auch der Bro 1184 mit zum Schönberger Strand und pausiert hier mittags in Malente. Bis auf etwas farbliche Auffrischung befindet er sich noch im Zustand der Übernahme von der DB. Foto: © W. Greiffenberger.
Auch 26 Jahre weiter, am 18.9.2004, hat sich in dieser Ansicht nicht viel verändert. Er hat nun wieder Stangenpuffer und ein nach pr. Zeichnung nachgefertigtes Nummernschild. Das Dach brauchte dringend eine neue Abdichtung, die mittels günstig zu habender Dachpappe 2. Wahl verfügbar war und mittels Bitumenspachtel-Tupfern und Pappnägeln befestigt wurde. Die bröseligen Trittbretter mussten auch erneuert werden. Dass der Speiseraum intensiv überarbeitet wurde, sieht man von außen nicht. Foto: © W. Greiffenberger.
Auch 7 Jahre nach der Renovierung zeigt sich der Innenraum am 22.11.2006 noch in gutem Zustand. Foto: © H. Elsner.
Am Karsamstag, 23.4.2011, zeigt sich der Bro 1184 mit noch unverblichenem neuen Anstrich, auch das Fahrgestell ist inzwischen konserviert und hat nun Speichenradsätze mit 02er Achslagern und Gasbehälterattrappen. Die Schweißbahn-Dachdecke folgte der nicht sonderlich haltbaren 2. Wahl Dachpappe. Foto: © J. Kaubek.
Im Sommer 2011 erfolgte die dringend erfoderliche Renovierung des Küchenbereichs. Hier ein Blick durch die Durchreiche am 15.9.2011 auf die Baustelle. Foto: © C. Thiele.
|
|