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Dreiachsiger PwPost M.N.D.E. 1252
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So sah der 1252 am 20.7.2009 aus, inzwischen wurde er nicht besser. Foto: © W. Greiffenberger.
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Technische Daten
Wagennummer | 1252 / Mainz 4402 / 14 / 951 |
Typ | PwPost3 |
Hersteller | Gebr. Gastell, Mombach |
Baujahr/Fabriknummer | 1893 / ? |
Frühere Bahngesellschaft | M.N.D.E. / KPEV / DRG / LSE |
Länge über Puffer | 11300 mm |
Drehzapfen-/ Achsstand | 3750+3750? mm |
Raddurchmesser | 1000 mm |
Masse | 13740 kg |
Bremse | Wpbr 8", Spindel-Hbr. |
Höchstgeschwindigkeit | 80 km/h |
Beleuchtung | urspr. Gaslicht |
Rahmen | genietete Stahlprofile, Langträger I-Profil, nicht tragender Wagenkasten |
Heizung | Dampfheizleitung |
Ladefläche | ? m2 |
Zuladung | ? kg |
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Fahrzeuggeschichte
Nachdem erste Hilfestellungen eines Eisenbahnfreundes auf Grund einer undeutlichen Jahreszahl 3 zur falschen Vermutung des Ursprungs des Wagens bei der Hessischen Ludwigsbahn und dem Baujahr 1898 führten, gelang es einem anderen Eisenbahnfreund viele Jahre später, diesen Irrtum aufzuklären. Das preußische Mainzer Wagenbuch datiert den Wagen auf das Baujahr 1893 bei der Waggonfabrik Gebr. Gastell, Mombach. Er wurde für die in Darmstadt ansässige Main-Neckar Bahn gebaut und erhielt dort die Nummer 1252. Diese Bahn betrieb seit 1846 die noch heute wichtige Hauptstrecke Frankfurt - Darmstadt - Heidelberg/Mannheim und später weitere angrenzende Bahnlinien. Dokumentiert ist, dass diese Bahn bereits 1889 die Westinghouse-Druckluftbremse einführte. Wie damals für Hauptbahnen üblich, wurde er als Dreiachser mit Vereinslenkachsen ausgeführt, die zu dieser Zeit die Starrachsen ablösten. Er besitzt keine Übergänge an den Stirnseiten, aber ursprünglich über die ganze Wagenlänge durchgehende Trittbretter, was auf die Verwendung in Abteilwagenzügen hindeutet.
1896 wurde die Bahn verstaatlicht und ging teils in den badischen Staatsbahnen und teils in der Betriebsgemeinschaft der preußisch-hessischen Staatsbahnen auf, der auch der Wagen 1252 zugeschlagen wurde. Dort erhielt er die Betriebsnummer Mainz 4402, die wie auch die 1252 mit dem undeutlichen Zusatz H.N.D.L. als Langträger-Anschrift am Fahrzeug identifiziert werden konnte. Vermutlich war das H tatsächlich ein M und das L ein E, womit sich M.N.D.E. ergibt, was als Main - Neckar Darmstadt Eisenbahn interpretierbar wäre.
Das Mainzer Wagenbuch führt die Nummerngruppe 4401 - 4406 auf, was die Vermutung zulässt, dass der 1252 5 Schwesterfahrzeuge besaß. Ein Problem der aus vielen verstaatlichten Bahnen entstandenen Staatsbahnen war lange Zeit die wartungsaufwändige Unterhaltung der unzähligen übernommenen Fahrzeugbauarten, was in den wirtschaftlich turbulenten 1920er Jahren zu umfangreichen Abgaben solcher Fahrzeuge aus dem Staatsbahnbestand führte. Im Umzeichnungsplan 1930 sind die Wagen Mz 4401-4406 nicht mehr enthalten. Weiter teilte uns der aufklärende Eisenbahnfreund mit, dass unser Wagen 1925 über die Berliner Firma Theodor Lewald als Nr. 14 an die Lüchow - Schmarsauer Eisenbahn gelangte. 1949 erhielt er dort durch das betriebsführende Niedersächsische Landes Eisenbahn Amt (NLEA) die Nummer 951.
1969 stellte die LSE ihren Betrieb bis auf die Bedienung der vier Anschlussgleise im Bahnhof Lüchow Süd ein und baute die Strecke ab. Die meisten Fahrzeuge blieben aber im weitläufigen Lüchower Bahnhofsareal abgestellt, so auch der 951. Im Laufe der Jahre hatte er bereits viele Vereinfachungen erfahren, so verschwand das Postabteil und Seitenwandbretter ersetzten dort die doppelflügeligen Türen. Auch der hochliegende Zugführerplatz und die Fenster im Zugführeraufbau waren irgendwann entbehrlich und schließlich verschwanden auch Hundeklappe und die einflügeligen Türen des Zugführerabteils, so dass letztlich fast nur ein geschlossener Güterwagen mit den beiden seitlichen Schiebetüren verblieb.
So wurde er zusammen mit dem O 20 um 1974 vom VVM angekauft und zunächst nach Aumühle gebracht, schon bald konnte er im Lokschuppen des ehemaligen Bw Rothenburgsort unter Dach stehen. Die Hoffnung, im noch recht ursprünglich erhaltenen Bahnbetriebswerk ein Eisenbahnmuseum realisieren zu können, schwand 1980, als die DB den Mietvertrag kündigte, um alsbald das Betriebswerk abreißen zu lassen und in eine Industriebrache umzuwandeln.
Nicht alle Fahrzeuge aus Rothenburgsort konnten im als Ersatz angebotenen Wilhelmsburg untergebracht werden, so auch der 951, womit zumindest eine kurzfristige Konservierung des nahezu anstrichlosen Wagenkastens für eine Zukunft im Freien am Schönberger Strand erforderlich wurde. Dorthin gelangte der Wagen 1981, nachdem zahlreiche in Rothenburgsort gelagerte Ersatzteile in ihn verladen worden waren. Dabei wurden die restlichen noch vorhanden Fenster mit außen vorgesetztem Blech verschlossen, ansonsten hinter dem Blech aber unverändert belassen.
Bei den auch im Langträgerbereich notwendigen Anstrichausbesserungen wurden im Bereich der Mittelachse vorsichtig die Farbschichten abgetragen, in der Hoffnung, dort alte Wagennummern zu finden, die die bis dahin völlig unbekannte Wagengeschichte klären helfen könnten. Die freigelegten Nummern Mainz 4402 und darunter 1252 H.N.D.L. (undeutlich) wurden aber nur notiert und noch nicht fotografisch dokumentiert. Die daraus entstandene Vermutung des Ursprungs bei der Hessischen Ludwigsbahn führte zur Seitenwandbeschriftung nach deren Muster. Beim Entfernen von unbrauchbaren Anstrichresten und Rost von den U-Profilen des Kastengerippes wurden an mehreren Stellen Reste von gelben Zierlinien auf den Spitzen der U-Profile vorgefunden, die nach dem Endanstrich im gleichen Farbton wiederhergestellt wurden, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.
In diesem Zustand dient der Wagen seit 1981 am Strandbahnhof als Lagerraum, dem nur minimale Instandhaltungen zukamen, wodurch die Verbretterung inzwischen stark ersatzbedürftig ist.
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Museale Bedeutung
Allein sein inzwischen erreichtes Alter und die arg wenigen noch existierenden Fahrzeuge aus dem vorvorigen Jahrhundert begründen eine museale Bedeutung. Zwar ist die Bauform des Wagens für Norddeutschland wenig repräsentativ, andererseits ist der langjährige Verbleib eines überzähligen verstaatlichten Wagens bei einer Kleinbahn mit geringem finanziellen Spielraum ein durchaus typischer Lebenslauf. Mit 76 Einsatzjahren im regulären Eisenbahnbetrieb dokumentiert er auch eine heute kaum mehr denkbare Nachhaltigkeit in den Nutzung von kommerziellen Investitionsgütern. Hinzu kommt die sich offenbar noch weitgehend im Ursprungszustand befindliche Westinghouse-Bremse, mit der er von Anfang an ausgerüstet war.
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Weitere Bilder
Unserem verstorbenen Mitglied Otto Neumann verdanken wir dieses Bild des Wagens vom 5.11.1965 vmtl. in Lüchow Süd. Schon damals hinterlassen die Wandbretter keinen sonderlich guten Eindruck. Foto: © O. Neumann.
Am 19.4.1980 war die Entfernung von Altanstrichresten und Rost sowie die Grundierung der Eisenteile einer Wagenseite abgeschlossen. Foto: © W. Greiffenberger.
Fünf Wochen später, am 25.5.1980, sind die Reste der beiden Seitenwand-Fenster und auch einige angegriffene Bereiche der Verbretterung mit Blech verschlossen und die Bretter haben nach der Behandlung mit Holzschutzgrund die erste Schicht Ventilationsgrund erhalten. . Foto: © W. Greiffenberger.
Stirnwand und Teile der anderen Seitenwand am gleichen Tag bereits mit etwas grün abgetöntem zweiten Ventilationsgrund. Foto: © W. Greiffenberger.
Vier Wochen weiter, am 22.6.1980 sind die Konservierungsarbeiten abgeschlossen und dokumentieren, was mit nur 2 Mitarbeitern mit 11 Wochenendeinsätzen erreichbar ist. Foto: © W. Greiffenberger.
Ein Vierteljahrhundert weiter, am 25.2.2004 entstanden auch vom 1252 eine Reihe von digitalen Detailfotos, von denen nun einige folgen. Auch wenn dass Untergestell überwiegend noch durch Anstrich geschützt ist, rosten die freiliegenden Stellen unaufhörlich weiter. Interessant ist, dass die Achsgabeln angeschraubt und nicht genietet sind, was wohl auch im I-Profil der Langträger begründet ist, was Hartholzbeilagen zum Ausfüllen des Profils erfordert. Die Flacheisen-Achsgabeln haben noch die ältere Bauform mit etwas weiter gespreizten Stützstreben, deren Enden senkrecht umgebogen sind. Die Federböcke weisen schon nahezu die Bauform auf, wie sie 1913 für hunderttausende Güterwagen der Verbandsbauart genormt wurden. Der noch deutlich sichtbare Ansatz des abgeschnittenen oberen Trittbretthalters ist ein letzter Zeuge der einst an diesem Wagenende vorhandenen doppelflügeligen Postabteiltür.
Die Radsätze sind mit Sicherheit nicht original und auch die preußschen A02-Lager dürften Zeugen der Staatsbahnzeit des Wagens sein. Welche Bauform die Main-Neckar Bahn einst verwendete, wissen wir nicht. Interessant auch die Zentriervorrichtung an Federbund und Langträger, die wohl nicht nur beim Durchfedern eines überladenen Wagens, sondern auch bei einem Federbruch in Aktion treten sollte. Foto: © W. Greiffenberger.
Die historischen Stangenpuffer machen einen noch relativ guten Eindruck. Der UIC-Bremshahn dürfte eine Nachkriegs-Zutat sein, die alte starre Zughakenführung ist erfreulicherweise noch erhalten, oftmals wurden diese im Laufe der Zeit durch solche mit Seitenspiel ersetzt. Foto: © W. Greiffenberger.
Die Mechanik der Bremse macht einen relativ modernen Eindruck, Viele gleiche Teile erleichtern die Instandhaltung und kein unter der Achswelle hindurchgeführtes Gestänge behindert einen Achsentausch. Die Herabfallsicherung des Bremsdreiecks erscheint fragmentarisch, die rechte fehlt ganz und die verbogene linke hat die Form eines Rundeisenhakens, der so insbesondere bei einer Bremsung das Herunterreißen des gelösten Bremsdreiecks vor das Rad kaum zu verhindern in der Lage wäre. Einteilige Bremsklötze dieser Form dürften nur mehr aufwändig als Nachgüsse beschaffbar sein. Die arg schiefe Lage zum Rad deutet darauf hin, dass die LSE es mit den Bremsuntersuchungen nicht so genau nahm.
Da die Handbremskurbel im Zugführerabteil nicht mehr fest stand und auch das Einlagern großer Teile behinderte, hatten wir sie 1980 abgenommen und auch im Wagen gelagert, deshalb ist der Umlenkwinkel einseitig frei. Die dahinter sichtbare funktionslose Halterung könnte einst den Generator getragen haben, beim Baujahr 1893 mit Sicherheit eine spätere Nachrüstung. Beim genauen Hinsehen fällt dann noch der verkehrt herum eingebaute obere Schakenbolzen auf, man hatte wohl keine Lust, zum Durchstecken das Bremsgehänge zu lösen. Die Bauart mit rundem Kopf hat wohl unzählige Wagenschlosser geärgert, ist doch das Lösen der Mutter nur umständlich mit Gegenhalten mittels immer wieder abrutschender Rohrzange möglich. Foto: © W. Greiffenberger.
Die andere Endachse. Auffällig der nicht durchgehende Träger der Bremsaufhängung. Der abgenutzte Bremsklotz wäre vor einer Inbetriebnahme zu tauschen.
Die Fangbügel des Bremsdreiecks lassen vermuten, dass man in Lüchow den inneren Teil der Schlaufe einfach herausgetrennt hat.
Foto: © W. Greiffenberger.
Blick auf Steuerventil, Hilfsluftbehälter, Bremshebel und Luftleitung der Westingshouse-Bremse 8". Die Art der Anbringung sieht sehr professionell aus und lässt stark vermuten, dass die Bremse von Anfang an so vorhanden war. Die Zugstangenauflage hat schon sehr lange kein Fett mehr gesehen. Foto: © W. Greiffenberger.
Zum Schluss dann noch ein Blick von der anderen Seite auf Bremszylinder und die anderen Bremshebel. Fett war in Lüchow offenbar Mangelware. Auch hier hat sich außer dem Zustand seit 1893 so gut wie nichts geändert, womit der Wagen eine noch sehr ursprünglich erhaltene Bremsanlage besitzt. Foto: © W. Greiffenberger.
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