|
Bildbericht Studienfahrt Halle
VVM-Studienfahrten sind in der Regel öffentlich, d. h. jeder, der Interesse daran hat,
kann gerne daran teilnehmen. Infos zu aktuellen Fahrten finden Sie unter
Termine.
Die VVM-Studienfahrt am 24. Oktober 2009 hatte das größte Meterspurnetz der ehemaligen DDR zum Ziel. Dabei ist Halle auch die erste deutsche Stadt, die bereits 1892 die elektrische Straßenbahn einführte. Die Rundfahrten mit historischen Wagen führten über fast das gesamte Stadtnetz, lediglich ein kurzer Abschnitt in der Innenstadt ließ sich nicht einplanen und 2 Abschnitte waren wegen Bauarbeiten nicht befahrbar. Im Planbetrieb fiel auf, dass die Bahnen mittels Ampelbeeinflussung meist zügig vorankamen.
Einen Bericht von dieser Tour finden Sie in den
Hamburger Nahverkehrsnachrichten
4/2009.
Hier eine kleine Bildauswahl von dieser Fahrt.
Text und Fotos: © Rolf König und Walter Greiffenberger.
Zwischen Zugankunft und Start der Sonderfahrten war noch etwas Zeit für einen Imbiss oder für die Erkundung der Umgebung des Hauptbahnhofes. Gegenüber der DDR-Zeit hat sich hier viel verändert: Die die Bahnanlagen unterfahrende Straßenbahn-Strecke ist aus der Straßenmitte herausgenommen und hat näher zum Bahnhof eine eigene Unterführung mit Haltestelle erhalten und auch die etwas abseits parallel zur Bahn liegende Strecke macht jetzt einen "Schlenker" mit Haltestelle direkt am Westausgang des Bahnhofs. Dort treffen sich auf dem Bild die beiden Niederflur-Wagenbauarten, die Sonnabends und Sonntags den Gesamtbetrieb erledigen. Beide sind Sechsachser. Der dreiteilige 602 besitzt an den Enden Drehgestelle und das Mittelteil ist ein Zweiachser. Nach 2 Vorserienfahrzeugen 1992 folgten aus Bautzen 1994-2001 60 Serienfahrzeuge. Der neuere zweiteilige Wagen 670 besitzt konventionelle Drehgestelle an den Enden und unter dem Mittelgelenk. Trotz beidseitiger Türen hat er nur einen Führerstand. Die 30 2004/5 ebenfalls in Bautzen gebauten Wagen verkehren meist als Rücken an Rücken gekuppelte Päärchen. Obwohl fast überall Kehrschleifen vorhanden sind, erlauben sie einen flexibleren Einsatz.
Unsere Rundfahrt führte uns zuerst nach Ammendorf. Der Name dieses (heutigen) Stadtteiles hat einen Klang: Die „Gottfried Lindner Wagenbau” produzierte hier seit 1823 Fahrzeuge, zuerst Kutschen, aber später auch unzählige Straßenbahn- und Eisenbahnwagen. 2005 wurde der zuletzt zum Bombardier Konzern gehörende „Waggonbau Ammendorf” aufgegeben. Äußerst typisch für Halle sind die mehrgleisigen Schleifenanlagen. Wie hier zu sehen, reicht das manchmal gerade so aus. Neben unseren Sonderwagen (Mitte) hat sich Fahrschul-Wagen 985 (Tatra T4D 1974) gesellt, die HAVAG bietet für Interessierte einmal im Monat „Straßenbahn selber fahren” Voraussetzung: Mindestalter 21 Jahre und Führerschein Klasse C (früher 3). Planmäßig kehrt hier jeder zweite Zug der Linie 5, die weitere Überlandstrecke nach Merseburg und Bad Dürrenberg, die wir uns für einen weiteren Besuch aufheben müssen, wird nur alle 30 Minuten befahren.
„Wenn ich keine Lust mehr habe, Straßenbahnen zu fotografieren, fotografiere ich eben Straßenbahnfreunde...”. So sieht es aus, wenn die ganze Meute ausgestiegen ist, um ihre Lieblinge im Bild festzuhalten, aber schön auf einer Linie aufstellen, man will ja niemandem im Bild stehen, wer es doch tut --- zensiert ----! Die Endschleife Soltauer Straße als letzter Bauabschnitt der Strecke durch Halle Neustadt gibt es erst seit 2003. Erstaunlich, wenn man das vorher durchfahrene riesige Plattenbaugebiet so betrachtet, welches auch überhaupt erst seit 1999 von der Straßenbahn erreicht wird. Bis 1990 war Halle-Neustadt noch eigenständig. Dafür wurde hier die einzigste S-Bahn Tunnel-Haltestelle der DDR gebaut, diese führt, bedingt durch die geänderten Reisewege, heute nur noch ein Schattendasein.
Schon wieder so eine mehrgleisige Kehranlage: Die Schleife Köllwitz entstand 1962, nachdem es die Strecke in den Stadtteil schon seit 1926 gibt. Vor kurzem wurde diese Endhaltestelle erheblich erweitert und über eine kurze Spange mit der nahe liegenden Endschleife Heide verbunden. Über diese Verbindungsstrecke sind wir eingefahren, man hätte auch in beiden Richtungen wenden können... Fahren tun wir übrigens mit richtigen DDR Klassikern: Vorne ein so genannter „LOWA” Zug (ET50 und EB 54) Baujahre 1952 bzw. 1956. Dahinter der Nachfolger, ein „Gothaer” T57 von 1961. Wagen dieses Typs liefen praktisch in allen DDR-Straßenbahnbetrieben. Sie wurden bis Mitte der 1960er Jahre gebaut. 1967/8 erhielt Halle noch mal einen großen Schwung Nachbauten von CKD als Typ „T2D” (ein solcher Triebwagen ist ebenfalls erhalten). Mit Lieferung neuer Großraumwagen ab 1969 wurden die Zweiachser nach und nach an kleinere Betriebe abgegeben. Aber erst 1991 war endgültig Einsatzende in Halle. Und jetzt geht’s in Zentrum zu Mittagspause und Fahrzeugtausch.
Die engen Geschäftsstraßen der Innenstadt gehören Fußgängern und der Straßenbahn, die offenbar gut miteinander auskommen. Ein Straßenbild im Jahre 2009 völlig ohne Autos! Hier nahen nach der Mittagspause 2 der 3 Museumsfahrzeuge für den 2. Teil der Sonderfahrten.
Sonderwagen 401 biegt zum Markt ein und bildet zusammen mit den schön restaurierten Altbauten eine nahezu perfekte Illusion der 1930er Jahre. Ab 1925 lieferte Lindner diese Wagen in großer Stückzahl nach Halle. Mehr als 30 Jahre bildeten die „Stadtbahner” das Rückgrat des Betriebes. Erst in den 1960er Jahren begann die Ablösung, trotzdem quittierte der letzte erst 1984 seinen Dienst. Triebwagen 401 war da schon 2 Jahre als Museumswagen hergerichtet.
Der Auftritt der drei Meilensteine Straßenbahngeschichte ist schon beeindruckend und sorgt in der belebten Innenstadt schon ein wenig für Aufsehen. Bewegte Geschichte live und in Farbe! Mieten kann man diese Wagen bei den Halleschen Straßenbahnfreunden e. V. Viel Standzeit bleibt aber nicht, immerhin geht der reguläre Linienbetrieb weiter. „Einsteigen Bitte!”
Fehler: Bild 7249B nicht gefunden
Noch einmal alle drei Fahrzeuge in der Schleife „Frohe Zukunft”, die völlig untypisch nur eingleisig ist. Vorne der Triebwagen 900, ein ganz besonderes Fahrzeug. CKD Tatra als Monopol-Straßenbahnher-steller der RGW-Staaten („Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe”), lieferte nur Einrichtungsfahrzeuge, für die Linie 15 in Merseburg wurden aber zwingend Zweirichtungsfahrzeuge benötigt, und so baute man 1983/4 in eigener Werkstatt zwei Fahrzeuge Bj. 1969 einfach so um, was der Hersteller eigentlich für nicht möglich hielt...
Wagen 4, hier in der Schleife "Frohe Zukunft", erinnert daran, dass die AEG 1892 in Halle die erste deutsche elektrische Straßenbahn mit solchen Wagen in Betrieb nahm. Original erhalten sind aber nur Teile des Wagenkastens. Das nicht mehr vorhandene Untergestell wurde anhand von Bildern und anderen Unterlagen rekonstruiert, leider in hierzu wenig passender Schweißbauweise. Radsätze, Motoren, Fahrschalter und E-Ausrüstung wurden von deutlich jüngeren Fahrzeugen übernommen. Der nachgebaute Lyrabügel leidet im Betrieb unter Kontaktschwierigkeiten. Aber immerhin, trotz fehlender Schienenbremse und anderer eigentlich erforderlicher Utensilien darf der Wagen sich im Netz bewegen. Außer 16 auf den Längsbänken sitzenden Personen darf er aber keine weiteren Fahrgäste befördern.
Das als Heimat der Museumsfahrzeuge dienende Depot Seebener Straße steht mitsamt des hier nicht sichtbaren Verwaltungsgebäudes unter Denkmalschutz. Es passt sich hervorragend in die parkartige Umgebung mit Häusern aus der Gründerzeit ein. Trotz der schönen Backsteinfassade ist die Halle des 1898 entstandenen Depots eine reine Holzkonstruktion. Wie in alten Zeiten muss beim Rangieren auf der simplen Gleisharfe die Straße halbseitig mit Posten gesperrt werden, Straßenbahn 1900 pur!
Nicht nur Schienenfahrzeuge gehören zur Sammlung des historischen Straßenbahndepots, denn auch Busse, Arbeits-LKW, Taxis und Dienstfahrzeuge gehören zur Geschichte der HAVAG dazu. Hier ein Barkas B1000KB von 1986 für den Strecken-Dispatcher. Wenn die voll funktionsfähige Lautsprecheranlage benutzt wird, sollte man besser nicht so nahe dran sein...
Die Geschichte der Straßenbahn Halle besteht aus mehreren Gesellschaften: Zunächst die Pferdebahn der „Halleschen Straßenbahn” (ab 1882) mit Elektrifizierung ab 1911 umbenannt als „Städtische Straßenbahn Halle”, und der „AEG Stadtbahn Halle” (ab 1890) letztere wurde 1917 aufgekauft. Für die Strecken in die südlichen Nachbarstädte gab es eigene Gesellschaften: Die „Elektrische Straßenbahn Halle - Merseburg” (ab 1902) welche 1932 von der „Merseburger Überlandbahn” (von 1913) übernommen wurde. Letztere ging erst 1951 endgültig im städtischen Verkehrsbetrieb auf. Trotz der Vereinigung konnte man die Überlandbahn noch jahrelang unterscheiden: Grüne Farbe der Wagen, eigene Uniformen und am längsten die erst bei der Vereinigung eingeführte 30er Liniennummer. Von dieser MÜBAG ist Triebwagen 78 (Lindner 1912) erhalten geblieben. 1977 praktisch im letzten Moment gerettet, ist er das Urfahrzeug der heutigen Museumssammlung.
Für den dritten Teil unser Studienfahrt wieder ein Klassiker. Ein kompletter T4D Großzug (Trieb-Trieb-Beiwagen) Baujahre: 1971/78/67. Damit konnten bis zu 375 Personen befördert werden. Der Beiwagen ist ein Prototyp, er lief die ersten 2 Jahre seines Lebens in Belgrad (Jugoslawien), bevor er mit der ersten Serie nach Halle kam. Noch eine beeindruckende Zahl: 323 Trieb- und 124 Beiwagen des T4D/B4D fuhren in Halle. Die Letzten Mohikaner, modernisiert und mit Choppersteuerung versehen, werden heute noch (Montags-Freitags) eingesetzt. Um die neu entstandenen Wohngebiete der Südstadt anzuschließen entstanden aus zwei Richtungen Streckenverlängerungen, die nun eine große Schleife bilden. Wir fahren auf der jüngeren von 1981 auf dem Böllberger Weg und haben hier gerade die Haltestelle Diesterwegstraße passiert. Fotohalt: Denn hier passt noch alles zusammen (fast) wie vor 25 Jahren.
Und die Straßenbahn wuchs weiter mit der Bebauung, als letzte Endschleife des Tages ist „Beesen” von 1982 erreicht. Der historische Tatra-Großzug wird hier noch einmal eingerahmt von den beiden heutigen Niederflurtypen... Links Tw 655: Als erster Betrieb der „neuen Länder” beschaffte Halle 1992 zunächst zwei „MGT6D” als Vorserie noch von der Duewag. Von 1994-2001 folgten dann 60 Serienwagen aus Bautzen. 655 steht seit 2000 auf Schienen. Rechts Tw 667+668: 2004/2005 lieferte Bombardier Bautzen dann 30 Fahrzeuge des Typs MGT-K. Trotz beidseitiger Türen haben Sie nur einen Fahrerstand und kommen darum üblicherweise als Päärchen daher.
Wenn auch Sie einmal bei einer VVM-Studienfahrt dabei sein möchten, schauen Sie in unsere
Terminliste mit den nächsten Sonderfahrten.
|
|