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Dampfsonderzug Prignitz am 18.8.2013
Nachdem 2 Veranstalter den Wunsch nach Dampfzugfahrten im August 2013 an die VVM Museumsbahn Betriebsgesellschaft mbH herangetragen hatten, gelang es dieser, zu Museumswagen aus Schwerin und Lübeck auch eine Dampflok anzumieten, die in Nossen zwischen Dresden und Leipzig beheimatete 03 2155. Am nicht von den Veranstaltern gebuchten So. 18.8. wurde die Gelegenheit genutzt, mit diesem Fahrzeugpark eine eigene Dampfrundfahrt durchzuführen. Von Lübeck ging es auf die von der Deutschen Bahn an ein Privatunternehmen abgegebene Strecke (Güstrow) - Priemerburg - Karow - Meyenburg - (Pritzwalk), die schon lange keinen regelmäßigen Reisezugverkehr mehr aufweist. Nach einer Mittagspause in Plau am See ging es durch die Prignitz nach Wittenberge, wo eine Besichtigung des erst in diesem Jahr eröffneten Bahnmuseums im restaurierten historischen Lokschuppen auf dem Programm stand. Bis Ludwigslust nun auf der Schnellfahrstrecke Hamburg - Berlin ging es zurück nach Lübeck. Star dieser Fahrt war sicherlich die Schnellzug-Dampflok, die nach jahrzehntelangem Museumsdasein erst 2012 wieder in Betrieb genommen wurde und erstmals im Norden zum Einsatz kam.
Der VVM-Webmaster war als zahlender Fahrgast dabei und berichtet als solcher von seinen Eindrücken, die nicht immer richtig sein mögen, besonders wenn dazu nicht vorliegende interne Informationen nötig wären. Der Bericht ist somit eine subjektive Darstellung des Webmasters, wie auch andere Fahrgäste es ähnlich erlebt haben könnten und keine offizielle Darstellung des Veranstalters VVM Museumsbahn Betriebs-Gesellschaft mbH oder der von dieser beauftragten Unternehmen und Organisationen und stellt auch in keiner Weise deren Meinung dar.
Nachdem verspätete Triebzüge der DB AG endlich die Gleisanlagen des Lübecker Hbf. geräumt hatten, durfte der Dampfsonderzug zur Abfahrt bereit gestellt werden. Nur durch intensive Zusammenarbeit zahlreicher verantwortlicher Stellen war diese außergewöhnliche Fahrt überhaupt möglich geworden. Das Bild der Dampflok in der restaurierten Lübecker Bahnhofshalle ist dann auch das erste nicht ganz alltägliche Motiv dieser Sonderfahrt. Foto: © W. Greiffenberger.
In weitgehend zügiger Fahrt wurde die DB-Strecke über Bad Kleinen und Güstrow zurückgelegt. Wenige Kilometer weiter wurde in Priemerburg das Streckennetz der Regio Infra Nord Ost GmbH & Co KG erreicht, einer Gesellschaft, die etliche von der DB zur Stilllegung vorgesehene Bahnstrecken in Mecklenburg und Brandenburg übernommen hat, um diese, soweit irgendwie möglich, weiter zu betreiben. Im Gegensatz zur Deutschen Bahn zeigte sich dieses Unternehmen dem Wunsch nach Fotohalten und „Scheinanfahrten” nicht abgeneigt, allerdings gab es sie nur in Bahnhöfen. Bei einem doch recht langen Zug ist das Ein- und Aussteigen auf freier Strecke auch nicht ganz unproblematisch, zudem muss Platz für zahlreiche Fotografen vorhanden sein, ohne Flurschäden anzurichten und auch die Betriebstechnik lässt ein Zurücksetzen des Zuges immer seltener zu. An einigen anscheinend guten Motivpositionen wäre sicher auch manch Zugreisender gern bei den autofahrenden begleitenden Zugfotografen dabei gewesen. In Klein Grabow bestand zunächst die Gelegenheit, die im teils privat genutzten Bahnhofsgelände angelegte Feldbahnanlage anzusehen. Foto: © W. Greiffenberger.
Der Platz für die zahlreichen Fotografen und Filmer war in Klein Grabow recht eng. Zudem blieb der Zug, der für eine Scheinanfahrt zurückgesetzt hatte, zunächst verschwunden. Wer denn meint, Mecklenburg sei plattes Land, musste dazulernen: Um Nebenbahnen kostengünstig zu bauen, folgen die Gleise der leicht welligen Moränenlandschaft. So liegt vor Klein Grabow eine kräftige Steigung, in der die Schnellzuglok es nicht schaffte mit ihren 9 Wagen anzufahren. Der Zug musste bis zum Anfang der Steigung zurücksetzen. Foto: © W. Greiffenberger.
In Krakow am See lief der Fotohalt anders als angekündigt. Äußerungen des Zugpersonals konnte man so deuten, dass man den Zug ungern über einen unübersichtlichen Bahnübergang zurücksetzen wollte, zudem war die Zeit durch die Verzögerung in Klein Grabow knapp, so passierte die Scheinanfahrt viele Fotografen nicht. Es blieb nur ein Standbild vor dem Bahnhofsgebäude, dessen Zukunft wie bei fast allen Bahnhöfen dieser Strecke ungewiss zu sein scheint: Überwiegend ungenutzt ist der beginnende Verfall unübersehbar. Foto: © W. Greiffenberger.
In Plau am See war Aussteigen zur Mittagspause angesagt. Viele Fahrgäste und einige Einheimische zog es aber erst mal zur Dampflok, um zu schauen und zu fotografieren. Foto: © W. Greiffenberger.
Nach Zurücksetzen des Zuges kam die Lok noch einmal kurz zum Bahnhofsgebäude vor, um dann in ein Nebengleis zu fahren, wo die Feuerwehr das Wasser im Tender ergänzen konnte. Das für einen Kleinstadtbahnhof einer Nebenbahn recht große Bahnhofsgebäude wird leider auch nur noch teilweise genutzt, neben dem noch betriebenen Stellwerk hat werktags auch die Bahnhofsgaststätte noch geöffnet. Lediglich an Samstagen im Hochsommer gibt es noch einen bescheidenen Reisezugverkehr, zwischen Pritzwalk und Krakow pendelt dann ein Triebwagen für Ausflügler 3 mal hin und her. Foto: © W. Greiffenberger.
Auch die Straßenseite des Bahnhofsgebäudes ist ein Foto wert. Die baumbestandene Zufahrt mit Steinpflaster ist noch erhalten. Lohnend ist auch ein Rundgang durch den Ort, dessen Altbauten nahezu lückenlos die Zeiten überstanden haben und sich heute fast alle liebevoll restauriert präsentieren. Auch die Straßen wurden passend überwiegend mit Steinpflaster hergerichtet. Leider setzte etwa zur Hälfte der Mittagspause kräftiger Regen mit Windböen ein, der dann doch zum Aufsuchen eines windgeschützten und überdachten Aufenthaltsortes animierte. Foto: © W. Greiffenberger.
Eine weitere Scheinfahrt gab es dann im Abzweigbahnhof Ganzlin, dessen Bahnhofsgebäude sicherlich schon bessere Zeiten erlebt hat. Auch die Zweigstrecke nach Röbel ist bis auf ein kurzes Stück stillgelegt. Gescheitert - vorwiegend an internen Streitigkeiten - ist auch der Röbeler Museumsbahnverein, dessen umfangreiche Fahrzeugsammlung, die einst auch den Bahnhof Ganzlin bevölkerte, nahezu komplett in den Schrott ging, obwohl sie auch einige wenige historisch wertvolle Exemplare umfasste. Foto: © W. Greiffenberger.
Die Fotofahrt im Bahnhof Ganzlin bot Gelegenheit, noch mal ein wenig das Flair der untergegangenen DDR mittels einiger bis heute erhalten gebliebener Details einzufangen. Beim genauen Hinschauen entdeckt man aber auch ein Geschäftsfeld des heutigen Infrastrukturbetreibers: Das Abstellen momentan nicht benötigter Güterwagen, hier sind es Container-Tragwagen. Foto: © W. Greiffenberger.
Im Bahnhof Pritzwalk befinden wir uns wieder auf der Infrastruktur der Deutschen Bahn. Gleich nach unserer Ankunft setzt sich der Doppelstock-Schienenbus der Eisenbahngesellschaft Potsdam nach Meyenburg in Bewegung, die dort noch einen bescheidenen regelmäßigen Personenverkehr betreibt. Interessant auch die Sparsamkeit der Deutschen Bahn: Bis auf schmale Streifen neben dem Gleis ist der Bahnsteig durch Ketten abgesperrt, offenbar um Unterhaltungskosten zu sparen. Foto: © W. Greiffenberger.
Eigentlich hätte der Sonderzug in Wittenberge mit Fahrgästen in den neuen Museumsbereich am Lokschuppen fahren sollen, dort nicht vorhandene Bahnsteige erzeugten aber wohl doch Bedenken, so dass im Bahnhof ausgestiegen und das Museum zu Fuß aufgesucht werden musste, während der Zug leer in den Museumsbereich vorzog. Auch hier scheint die Zukunft des stattlichen Bahnhofsgebäudes unsicher zu sein, wenn auch die Fenster noch nicht zugenagelt sind, wie es bei fast allen anderen noch existierenden Bahnhofsgebäuden aus der Anfangszeit der Bahn Hamburg - Berlin inzwischen der Fall ist. Foto: © W. Greiffenberger.
Ein außergewöhnlicher Glücksfall für die Dampflokfreunde Salzwedel war das Bestreben der Eisenbahnerstadt Wittenberge, einen Teil ihrer historischen Bahn-Vergangegnheit zu bewahren, dazu gehört auch ein Teil des ehemaligen Bahnbetriebswerks mit dem noch vorhandenen der einst zwei Rundlokschuppen und seiner Drehscheibe. Während die Pachtsituation in Salzwedel kaum mehr länger haltbar war, bot Wittenberge die Möglichkeit, in eine frisch und umfangreich sanierte Anlage einzuziehen, was dann auch Anfang des Jahres 2013 genutzt wurde. Hier sieht man einige aus Salzwedel umgezogene Fahrzeuge. Foto: © W. Greiffenberger.
Unsere 03 hat ihren Zug auf einem langen Abstellgleis im Museum stehen gelassen und bewegt sich jetzt auf die Drehscheibe zu, wo es für die Fotografen und Filmer eine Ehrenrunde gibt, bevor es zum Wassernehmen mit Feuerwehr-Unterstützung geht. Foto: © W. Greiffenberger.
Zu den aus Salzwedel zugereisten Fahrzeugen in Wittenberge gehören auch einige Hebeldraisinen, unter denen besonders dieser einachsige Beiwagen hervorsticht. Foto: © W. Greiffenberger.
Ein Drehscheiben-Foto der 03 darf natürlich nicht fehlen. Bei der Lok handelt es sich übrigens um eine so genannte "Reko"-03.
Für die nicht so Eisenbahnkundigen sei das erklärt: Zum Ende des zweiten Weltkrieges waren die meisten und besseren Lokomotiven im Westen Deutschlands vorhanden. In der sowjetischen Zone musste man mit einem zahlenmäßig und qualitativ deutlich schlechteren Bestand zurechtkommen. Die technischen Einrichtungen von Ausbesserungswerken und Lokfabriken mussten in die Sowjetunion abgegeben werden, das galt auch für elektrische Lokomotiven und die gesamte Ausrüstung des elektrischen Bahnbetriebs, der zusätzlich von den Dampfloks übernommen werden musste. Weiter verschärft wurde die Situation dadurch, dass die vorhandenen Loks für hochwertige Steinkohle ausgelegt waren, in der Sowjetzone aber fast nur Braunkohle vorhanden war, mit der die Loks wenig leistungsfähig waren. Zunächst mussten also die Werke in Stand gesetzt und wieder mit Maschinen ausgerüstet werden, dann kriegsbeschädigte Loks repariert werden. An eine schnelle Verdieselung oder Elektrifizierung war wegen fehlender Technologie kaum zu denken.
Parallel zu einem Neubauprogramm für Dampflokomotiven entwickelte man Anfang der 1950er Jahre ein deutlich kostengünstigeres Programm zur Modernisierung und Leistungssteigerung vorhandener Bauarten. Obwohl der Begriff "Rekonstruktion" eigentlich die Wiederherstellung eines früheren, inzwischen nicht mehr vorhandenen Zustandes bedeutet, wurde er in der inzwischen zur DDR gewordenen Sowjetzone für diese Modernisierung verwendet. Hauptmerkmal der Rekonstruktion war die Ausrüstung der Loks mit einem neuen, leistungsfähigeren Kessel, der auch besser für Braunkohle geeignet war. Vorwiegend wurden Güterzugloks der Baureihen 50 und 52 rekonstruiert, mit dem Kessel 39 E (Ersatzkessel Baureihe 39) wurden sowohl Einheitslokomotiven Baureihe 41 und 03.10 als auch die noch preußische Konstruktion der Mittelgebirgs-Personenzuglok Baureihe 39 umgebaut. Insgesamt wurden 687 Loks rekonstruiert. Die dann doch einsetzende Elektrifizierung machte die Reko 39er nach gut einem Jahrzehnt entbehrlich, hinzu kam, dass das aufwändige Dreizylinder-Triebwerk der höheren Kesselleistung nicht gewachsen war und stetig steigenden Instandhaltungsaufwand verursachte. Da die Ursprungskessel der Baureihen 41 und 03 nahezu baugleich und austauschbar waren, kam man nun auf die Idee - obwohl die 03er nicht im Rekonstruktionsprogramm enthalten waren - deren inzwischen meist über 30 Jahre alte Dampferzeuger durch die Reko-Kessel der ausgemusterten Preußen zu ersetzen, was dann auch bei der 03 2155 geschah. Foto: © W. Greiffenberger.
Ein Gastspiel inmitten von Reko-50ern gibt 03 2155 hier am Wittenberger Lokschuppen. In den Stirnansichten unterscheiden sich die Reko-Loks kaum. 1934 wurde die Maschine als 03 155 bei Borsig in Berlin gebaut. Überwiegend war die Lok im Raum Leipzig eingesetzt. 1970 änderte sich die Betriebsnummer computergerecht in 03 2155-4. Die eingefügte "2" bezeichnet eine kohlegefeuerte Lok, die Prüfziffer hinter dem Bindestrich soll Fehlerfassungen der Loknummer minimieren. Erst 1975 erhielt die Lok einen Reko-Kessel, wurde jedoch bereits 1978 abgestellt und in den Westen an das Eisenbahnmuseum Dieringhausen verkauft. Im Rahmen einer Sammlungsbereinigung wurde sie 2009 an die Firma Wedler&Franz Lokomotivdienstleistungen verkauft und für diese bis 2012 in Dieringhausen betriebsfähig aufgearbeitet. Anschließend wurde sie in Nossen stationiert und steht für bundesweite Einsätze zur Verfüng. Foto: © W. Greiffenberger.
Recht aufwändig wurde der Lokschuppen in Wittenberge saniert. Das hölzerne Dach musste nahezu komplett erneuert werden, so dass es hier für einen Dampflokschuppen ungewohnt hell ist. Lok Emma der Dampflokfreunde Salzwedel ist betriebsfähig, früher war sie Werklok in einer Zuckerfabrik. Wegen nicht vorhandener Druckluftbremse ist sie für einen Streckeneinsatz leider kaum geeignet. Foto: © W. Greiffenberger.
In Bad Kleinen muss die Lok an das andere Zugende umlaufen, um die Fahrt nach Lübeck fortsetzen zu können. Mit dem Tender voraus darf sie nur 50 km/h fahren, was die Fahrt bis in die Dunkelheit verlängerte, da auf der eingleisigen Strecke nicht nur Gegenzüge, sondern auch eine Überholung abgewartet werden mussten. Zwar gibt es in Bad Kleinen noch eine Drehscheibe, aber die ist wie der hier sichbare Wasserturm und Lokschuppen schon lange außer Betrieb und dem Verfall preisgegeben. Pünktlich um 21:29 Uhr ging die 392 km lange Dampfzugfahrt dann in Lübeck zu Ende. Ohne die wohlwollende und konstruktive Zusammenarbeit nahezu unzähliger Organisationen und die dort tätigen Mitarbeiter wäre diese Fahrt nicht möglich gewesen, womit dann neben dem Fahrpreis auch ein „Dankeschön” an die Menschen fällig ist, die diese Fahrt in ehrenamtlicher oder auch zusätzlicher beruflicher Arbeit ermöglicht haben. Foto: © W. Greiffenberger.
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